- BUBBLE,
BUBBLE!
-
- von
Teresa Di Gaetano
- Aus dem
Italienischen ins Deutsche übertragen von
Roswitha Diehl
-
- Ich bin eine
Seifenblase, eine Seifenblase, die einer bunten
Plastikflasche entstiegen ist. Ja, aus jener
Plastikspülmittelflasche. Ich schwebe in der
Küche herum, und aus meiner Höhe (ich habe
fast die Zimmerdecke erreicht) beobachte ich die Frau,
die gerade abspült. Sie hat mich offensichtlich
nicht bemerkt. Ich schwebe im Zimmer herum, aber ich
hoffe, dass ich mich nicht an den Wänden
stoße, sonst zerplatze ich. Oh! Schau an! Eine
andere Seifenblase. Sie nähert sich. Sie spricht
mich an, nein, sie schreit mich an. Ich kann nicht
hören, was sie mir sagt. Auch ich versuche,
näher heranzukommen, um besser zu hören.
Sieh an, jetzt erreichen mich ihre Rufe.
- Sie sagt: "Entferne
Dich, dummes Ding!"
- Und ich antworte
ihr betrübt. "Und wie mache ich das?"
- Sie befiehlt mir:
"Wende dich nach rechts und drehe dich nach
unten."
- Ich protestiere:
"Aber ich werde mich an der Wand
stoßen!"
- Sie erwidert: "Das
macht nichts aus. Eine von uns beiden muss sowieso
sterben, nicht wahr? Und ich will nicht die erste
sein. Ich bin gerade erst der Flasche entstiegen und
... Ich möchte eben eine hübsche kleine
Rundreise im Haus machen. Bewege Dich
fort!"
- Ich stimme traurig
zu: "Na gut. Auch du wirst bald sterben, wie
ich!"
- Ich führe
ihren Befehl durch. Ich drehe mich um mich selbst,
wende mich nach rechts und ... mein Körper
erleidet einen Zusammenprall mit der Wand. Ich bin
tot. Mein Körper ist nun nichts als ein nasses,
schaumiges Etwas auf der geblümten grünen
Wandfliese der Küche. Ich denke diese traurigen
Gedanken: Bald wird die Hitze des Ofens, der Wind oder
die Zeit mich vertrocknen lassen.
- Von wo komme ich;
ich kann noch die Küche sehen, die Frau, die das
Geschirr spült, andere Seifenblasen, die
fröhlich der Spülmittelflasche entsteigen.
Es gelingt mir nicht, noch irgendetwas anderes zu
sehen, weil ich nicht mehr eine Seifenblase bin, ich
kann nicht in der Küche herumschweben oder meinen
Betrachtungswinkel ändern. Aber leider kann ich
die Seifenblase sehen, die meinen Tod verursacht hat.
Sie lächelt selbstgefällig. Ich denke
entrüstet: Die Arme, sie weiß nicht, dass
auch sie dasselbe Schicksal ereilen wird!
- Aber insgesamt ist
jedoch das Panorama von hier oben, von der
Zimmerdecke, gar nicht so schlecht ... Ich kann meine
Artgenossen sogar besser als zuvor beobachten, etwas,
das ich zuvor nicht machen konnte, als ich noch rund
war und daher alles aus einer runden Perspektive sah.
Oh, auch sie sind rund, und das Licht spiegelt sich
darin bunt wie ein Regenbogen. Welcher Glanz! Was
für ein Wunder! Oh! Aber was höre ich da?
Schreie. Vielleicht sind andere Seifenblasen so wie
ich geplatzt.
- Und
tatsächlich fragt sie mich: "Wie lange bist Du
schon hier?"
- Ich antworte: "Seit
einer geraumen Zeit."
- Sie fragt weiter im
gleichen bekümmerten Ton: "Und was müssen
wir jetzt tun?"
- Ich antworte
vorwitzig und zugleich resigniert: "Wir warten darauf,
dass die Hitze, der Wind uns mit der Zeit von hier
forttragen. Schau mal in der Zwischenzeit dort
hinüber .... es ist ihre Schuld, dass ich tot
bin. Du zumindest bist es freiwillig.
- Sie gibt mir
schnell zur Antwort: "Schon, aber ich wollte nicht an
der Wand zerplatzen!"
- Ich frage sie dann
mit großer Neugierde: "Wie denn
dann?"
- Sie erwidert
selbstsicher: "Zwischen den Händen eines Kindes.
So wäre mein Körper an seinem Kleidchen
getrocknet. Dann wäre seine Bekleidung in der
Waschmaschine gewaschen worden, und ich wäre in
der Gesellschaft von Artgenossen."
- Ich antworte: "Ja,
aber Wasser wäre durch deinen Körper
gedrungen."
- Sie antwortet
naseweis: "Ich hätte als Schaum im Abfluss enden
können. So wäre ich vielleicht in einen
Fluss wieder ausgespuckt worden und ... hätte
weiterhin die Gesellschaft von anderen
gehabt.
- Ich sage ihr dann:
"Du hättest von Wasser gelebt und nicht von
Luft."
- Sie fragt: "Na
und?"
- Ich antworte
belehrend: "Wir leben dank der Luft, die uns innerlich
formt. Wasser ist unser Freund und Feind."
- Sie erwidert keck:
"Nun, ich zählte darauf, dass es unser Freund
sei. Wenn es nicht dank Seifenwassers wäre,
würden wir uns überhaupt nicht
bilden."
- Ich fahre fort:
"Aber wir können auch ohne Wasser gebildet
werden. Am wichtigsten ist die Luft."
- Sie unterbricht
mich: "Luft als Wind trocknet uns von
Gegenständen ab, so ist sie ebenfalls Freund und
Feind."
- Ich bemerke:
"Weißt du, dass du recht hast? Ich habe noch nie
darüber nachgedacht. Das, was für unser
Überleben nützlich ist, kann auch
verhängnisvoll für das Leben
sein.
- Während wir
mit diesen Betrachtungen beschäftigt sind,
schwebt die Seifenblase, die meinen Tod verursachte,
graziös herum. Es macht mich wütend, sie
durch den Sauerstoff des Raumes schweben zu sehen,
während ich hier an einer grässlich
grün gefärbten Küchenfliese klebe. Die
Seifenblase, mit der ich mich unterhalten habe,
spricht gerade mit einer anderen, die dasselbe
Schicksal ereilt hat. Daher richtet sie nicht mehr das
Wort an mich. Sie diskutieren angeregt darüber,
was man fühlen würde, wenn man lange leben
würde. Ich bin von ihrem Gespräch
gelangweilt, aber in meinem Zustand ist es
unmöglich, mich fortzubewegen. Ich bin gezwungen,
ihnen zuzuhören, gleichzeitig entgeht mir nicht
der Anblick der Seifenblase, die verantwortlich
für meinen vorzeitigen Tod ist. Oh! Was passiert
jetzt? Die Frau, die das Geschirr gespült hat,
ist jetzt fertig und begibt sich daran, das Fenster zu
öffnen. Oh nein! Es gibt kein Entrinnen. Ich
werde gewaltsam umkommen! Jetzt bläst der Wind
herein. In der Küche zieht es. So werde ich vor
der Zeit vertrocknen. Mein Körper scheint schon
viel kleiner zu werden. Ach, wenn ich nur ein paar
Augenblicke mehr hätte ... oh! Was für ein
schreckliches Gefühl. Ich fühle mich so
winzig klein. Ich kann kaum noch sehen. Ich bin ganz
durcheinander. Was passiert denn? Ich kann nicht mehr
die Stimme meiner Seifenblasenfreundin hören,
derjenigen, die nach mir starb. Ich kann weder
Geräusche noch Lärm hören. Das ist das
Ende, das Ende ... Ich sehe nichts mehr. Ich kann
nicht mehr! Ich kann wirklich nicht mehr. Ich
existiere nicht mehr. Ich bin Teil der Nicht-Existenz.
Ich bilde mir ein, noch immer eine Seifenblase zu
sein. Ich schwebe in der Dunkelheit. Da ist ein Licht
in der Ferne. Ich werde hinschweben, um nachzusehen,
was es ist. Es ist gleißend. Es gelingt mir,
durch es hindurchzudringen. Ich finde mich wieder auf
einer riesigen grünen Wiese. Die Sonne steht
hoch. Es könnte Nachmittag sein oder vielleicht
später Vormittag. Das spielt jetzt keine Rolle.
Ich muss herausfinden, wo ich bin. Ich habe das
Bewusstsein für meine runde Figur erlangt und von
der Tatsache, dass ich noch immer eine Seifenblase
bin. Was für ein schönes und wunderbares
Gefühl von Leichtigkeit! Ich überquere die
grüne Wiese, ich schwebe in die Richtung eines
Waldes. Darin ist es dunkel. Vielleicht erlauben es
die Äste dem Licht nicht, durch sie
hindurchzudringen und den Boden zu beleuchten. Es
fühlt sich wohltuend an, weder heiß noch
kalt.
- Es gibt hier viele
verschiedene Arten von Pflanzen. Ich spüre das
Verlangen, eine Artgenossin zu finden, mit der ich
sprechen kann. Ich rufe mir die Worte in Erinnerung,
die zwischen den Seifenblasen ausgetauscht wurden, die
nach mir an den Fliesen zerplatzt sind:
- - "Sag mir, du,
der du lang gelebt hast: wie fühlt man
sich?"
- - "Es ist
schön, auch wenn der Schatten des Todes über
einem hängt. Ich wusste zwar, dass ich
hinfällig war und dass ich unvermeidlich bald
umkommen würde. Trotzdem wollte ich all diese
Momente des Lebens auskosten, indem ich einfach
versuchte, nicht darüber
nachzudenken."
- Ich kehre zur
Wirklichkeit zurück, weil ich aus dem Wald
herausgekommen bin und jetzt eine riesige
Wasserfläche überquere: das Meer. Hier ist
das Licht gleißend, und es ist schwer, um nicht
zu sagen unmöglich, sich an die Worte jener
beiden zu erinnern. Und überdies habe ich nicht
genau ihrem Dialog zugehört. Währenddessen
hoffe ich, nicht in das Wasser zu fallen, sonst werde
ich sterben. Aber was sage ich da? Ich bin ja schon
tot. So tauche ich ein: Ich möchte sehen, ob es
mir gelingt, eine Artgenossin zu finden. Ich bin
untergetaucht und habe in der Tiefe gesucht. Ich finde
sie nicht. Ich tauche wieder auf. Es ist phantastisch!
Ich bewege mich vorwärts. Jetzt ist das Meer
nicht mehr da: direkt unter mir befindet sich ein
riesiger Spalt. Nur der Himmel bleibt mir, ihn zu
überfliegen. Der Himmel ist wolkenlos. Dieser
gehört mir ganz allein. Er ist durch eine weit
entfernte Sonne, die ich nicht sehen kann, beleuchtet.
Könnte ich sie suchen? Aber wie lange würde
ich dafür brauchen? Und überhaupt, habe ich
die Zeit, dies zu tun? Ich fliege weiter. Oder
zumindest ist es das, was ich meine zu tun. Wenn man
am Himmel fliegt, gibt es keine Grenzen: weder
vorwärts noch rückwärts, weder rechts
noch links. Ich habe mich verirrt. Ich bin ganz
durcheinander. Ich möchte die Sonne suchen. Ich
werde die Sonne suchen, und wenn ich sie gefunden
habe, hoffe ich, dass ich weiß, wo ich bin, weil
ich es halt wissen will, wo ich bin. Warum bin ich
hier und fliege am Himmel? Ich möchte es wissen.
Ich werde weiter die Sonne suchen. Ich habe ihn
gesehen: ich sehe gerade einen Baum. Er ist auf einem
grünen Hügel. Ich lasse mich auf einem
seiner Äste nieder. Es sind dort andere
Seifenblasen.
- Ich frage sie: "Auf
was wartet ihr hier?"
- Eine von ihnen
antwortet: "Wir warten auf den Wind, damit er uns
fortträgt."
- Beharrlich frage
ich weiter: "Und ihr wollt nicht die Sonne
suchen?"
- Dieselbe antwortet:
"Wir werden die Sonne suchen, wenn der Wind uns
fortgetragen hat. Nur der Wind kann uns zur Sonne
bringen."
- Und ich antworte
einer anderen Seifenblase, die sich gerade auf dem
Zweig des Baumes niedergelassen hat und die mich
fragt, was wir alle hier machen: "Wir warten gerade
auf den Wind, dass er uns fortträgt."
- Ein Windstoß
hat eine Gruppe von Seifenblasen mit sich
fortgetragen, und währenddessen warte ich, warte
ich, dass der Wind mich fortträgt, fortträgt
... auch mich.
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